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Görlitzer Geräte sind weltweit gefragt

Die Firma Sysmex Partec besteht seit zehn Jahren in Görlitz. Ihre Arbeit wird für den japanischen Mutterkonzern immer wichtiger. Und die Japaner vertrauen den Deutschen immer mehr.
10.10.2023

Zum Jubiläum ging es für die Mitarbeiter von der Neiße an die Elbe. „Wir haben eine Bootsfahrt mit der Weißen Flotte von Königsstein nach Dresden gemacht“, berichtet Michael Esther, Geschäftsführer der Görlitzer Sysmex Partec GmbH. Die überwiegende Mehrzahl der Mitarbeiter aus allen drei Standorten war dabei. Neben Görlitz sind das Münster und Leipzig.

Zu feiern haben die Sysmex Partec GmbH und auch Michael Esther persönlich momentan einiges. In erster Linie ist da das Jubiläum zehn Jahre Sysmex Partec. Mit der Vertragsunterzeichnung im September 2013 kam die damalige Görlitzer Partec GmbH zum viel größeren Sysmex-Konzern aus Japan – als eigenständige GmbH. Seither ist viel passiert, der Firmensitz vom Gewerbegebiet am Flugplatz auf die Arndtstraße in der Görlitzer Südstadt verlegt, die Gebäude am Flugplatz und auf dem Wilhelmsplatz verkauft, die Mitarbeiterzahl von 100 auf derzeit 172 gewachsen. 142 davon sind in Görlitz tätig – einer weniger als im Mai 2021 –, 24 in Münster und sechs in Leipzig.

Mittlerweile haben die Japaner sogar so viel Vertrauen in Michael Esther, dass er seit diesem Jahr der Alleingeschäftsführer ist. Bisher kümmerte er sich vor allem um das Tagesgeschäft, hatte aber immer noch einen zweiten Geschäftsführer an seiner Seite – einen Japaner, der für die strategische Ausrichtung verantwortlich war. Jetzt ist Michael Esther aufgestiegen, vereint quasi beide Posten in einer Person. Räumlich ändert sich für ihn dadurch aber nichts: Er bleibt in Görlitz und muss weiterhin für eine Woche pro Quartal nach Japan reisen.

Geschäftlich freut sich der Chef aktuell vor allem über einen Großauftrag aus Indien: „Wir produzieren gerade 150 Geräte für die HIV-Therapie-Kontrolle, mit denen der Immunstatus überwacht wird.“ Die etwa 30 mal 30 Zentimeter großen Geräte werden genutzt, um Immunzellen zu zählen, die Aussagen zum Therapieerfolg zulassen. Mittlerweile habe die Firma in Indien kaum noch Konkurrenz und entsprechend einen Marktanteil von über 90 Prozent, sagt Michael Esther. Hinzu kommen jetzt sogar noch 30 weitere Geräte für einen anderen Abnehmer in Indien.

Doch auch in Afrika gelingt es der Sysmex Partec GmbH, immer mehr Marktanteile zu gewinnen. Aktuell hofft Michael Esther dort auf einen Großauftrag über „eine höhere dreistellige Zahl“ der Geräte für die HIV-Therapie-Kontrolle. Diese würden in den nächsten zwei Jahren produziert werden.

Forschung und Entwicklung sind wichtig

Doch der Bau der Geräte ist bei Weitem nicht das Einzige, was auf der Arndtstraße passiert. „Die Forschung und Entwicklung für den Konzern ist ein weiteres Standbein“, so Michael Esther. In Görlitz geht es da vor allem um die Geräteentwicklung, in Münster werden die Reagenzien entwickelt. Neuerdings liefert die Sysmex Partec GmbH auch Teile für das Herzstück der Analysatoren, die in Japan gebaut werden. „Das ist ein Riesenauftrag, eventuell brauchen wir dafür auch noch eine halbe Schicht zusätzlich“, sagt der Geschäftsführer. Auch hier hätten die Japaner jetzt Vertrauen in die Deutschen entwickelt: „Meine Reisen nach Japan bleiben nicht ohne Wirkung.“

Letztlich sei der Standort Görlitz im Gesamtkonzern auch der Einzige, der eine Abteilung zum Drehen und Fräsen hat: „Das hat nicht einmal Japan.“ Um Aufträge im Konzern zu halten, passiert vieles in Görlitz. „Wir werden immer wichtiger im Konzern“, sagt Michael Esther stolz. Weitere Aufträge seien schon in Verhandlung: „Da könnte auch noch einmal ein größeres personelles Wachstum kommen.“ Aktuell werden für Görlitz vor allem Software-Ingenieure sowie Entwicklungs-Ingenieure für Elektronik gesucht, in Münster dagegen Service-Ingenieure, die zum Kunden hinfahren.

Corona-Krise ist weitgehend überwunden

Das Unternehmen hat die Corona-Krise weitgehend überwunden. In dieser Zeit war die HIV-Therapie-Kontrolle, eines der Hauptstandbeine der Sysmex Partec GmbH, nicht mehr so gefragt, weil in Indien und Afrika alle Kraft in die Bekämpfung der Corona-Pandemie gesteckt wurde. „Inzwischen sind die coronabedingten Umsatzeinbußen weg und auch die Zuverlässigkeit der Lieferketten hat sich normalisiert“, freut sich Michael Esther. Nur eines ist geblieben: Die Einkaufspreise steigen weiter. „Das macht uns zu schaffen, denn wir können sie nicht 1:1 an unsere Kunden weitergeben“, erklärt der Chef. Jetzt versucht er einerseits, bei den Lieferanten bessere Preise zu erzielen, andererseits auch, die Produktion immer effektiver zu gestalten.

Der Ukraine-Krieg dagegen hat zum Glück kaum Einfluss auf die Firma: „Vorher kamen die Kabelbäume aus der Ukraine, das tun sie jetzt nicht mehr.“ Mit Russland hingegen hatte die Sysmex Partec GmbH keine Geschäftsbeziehungen, sodass dort auch nichts weggebrochen ist.

Nicht zuletzt hat die Firma 2022 eine neue Vision ausgearbeitet und inzwischen auch vom Konzern genehmigt bekommen: „Wir wollen mit industriellen Anwendungen in Görlitz weiter wachsen.“ Es gibt ein neues Gerät, mit dem Getränke und Kosmetika auf mikrobakterielle Reinheit getestet werden. Dieses Gerät wird in Görlitz gebaut. „Das ist der Wachstumsmotor unseres Unternehmens“, sagt Michael Esther. Völlig neu sei dieser Geschäftsbereich nicht, aber er wird nun ausgebaut. Das sei den Mitarbeitern auch kommuniziert worden: „Sie wissen also, wo es hingehen soll.“ Räumlich wird all das auch künftig in der Görlitzer Arndtstraße stattfinden, sagt Michael Esther: „Hier haben wir genügend Platz, auch für den Fall einer Erweiterung.“

Artikel der "Sächsischen SZ" vom 10.10.2023