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Dresden. Sachsens Wirtschaftsförderer haben ein neues Schlagwort: Nach dem Silicon Saxony um die Mikrochipfabriken entsteht nun in der Biotechnologie ein Radiopharmaceutical Valley. Dazu gehören mehrere Hersteller von leicht radioaktiven Stoffen, die Krebs im menschlichen Körper aufspüren oder bekämpfen können.
Innerhalb von zehn Jahren ist das Radeberger Unternehmen ABX von 200 auf 350 Beschäftigte gewachsen. Dieses Jahr steigt der Umsatz voraussichtlich von 51 auf rund 75 Millionen Euro, und die ABX Advanced Biochemical Compounds GmbH hat erneut große Baupläne. Der Entwicklungsleiter Marco Müller, ein Chemiker, stellte sie am Donnerstag bei der Fachtagung Life Sciences Forum im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf vor.
Laut Müller sind die Labore, Produktions- und Abfüllanlagen von ABX in Radeberg auf etwa ein Dutzend Gebäude verteilt. Das verursache lange Wege. Derzeit werde das Zweite Obergeschoss im Chemiegebäude neu gebaut, doch womöglich folge bald ein sehr großer Neubau mit sechs Etagen: 100 Millionen Euro könnte die Firmenzentrale kosten. Die Erweiterungsflächen von 34.000 Quadratmetern an der Pillnitzer Straße in Radeberg habe ABX bereits.
Drei Zyklotronen beschleunigen Teilchen
Die Radeberger sind nach eigenen Angaben Marktführer bei bestimmten Materialien zur Erkennung von Tumoren bei der Positronen-Emissions-Tomografie. ABX wurde 1997 gegründet und gehört seit 2006 zum japanischen Konzern Otsuka Pharmaceuticals. Das sächsische Pharmaunternehmen hat eine US-Zulassung für das Medikament Pluvicto zur Bekämpfung von Prostatakrebs und eine französische für Radelumin zur Diagnose. Bei ABX in Radeberg stehen auch vier Anlagen zur aseptischen Abfüllung der Pharmazeutika.
Begeistert über die Wachstumschancen der Branche zeigte sich bei der Tagung Dirk Freitag-Stechl, Inhaber der CUP Laboratorien Dr. Freitag in Radeberg. Sein Unternehmen prüft unter anderem, ob Radiopharmazeutika steril sind, und will zu einem der führenden Auftragslaboratorien für Pharma und Medizintechnik in Deutschland werden. Freitag-Stechl ist auch am jungen Unternehmen Trimt GmbH in Radeberg beteiligt, das an einem Stoff gegen den Bauchspeicheldrüsenkrebs arbeitet.
Unterdessen nutzt das Unternehmen Rotop auf dem Gelände des ehemaligen Kernforschungszentrums in Dresden-Rossendorf leicht radioaktives Jod – es dient zur Diagnose von Parkinson. In Rossendorf gibt es zwar keinen Kernreaktor mehr, aber ein Zyklotron, einen Teilchenbeschleuniger. Darin werden Elementarteilchen mit rasender Geschwindigkeit in ein Gas gelenkt, sodass radioaktives Jod entsteht. ABX besitzt ebenfalls ein Zyklotron und hat ein zweites bestellt – 24 Tonnen schwer. Das wird wohl nicht in den Neubau umziehen.
Arzneiwirkstoffe kommen meistens aus Indien und China
Rotop-Geschäftsführer Jens Junker berichtete, dass die Pharmaunternehmen der Region gut zusammenarbeiten – beispielsweise seien an einer Einkaufsgemeinschaft außer seinem Unternehmen unter anderen Apogepha und Arevipharma beteiligt. Das Dresdner Unternehmen Apogepha hat zwar vor einigen Jahren seine Produktion in Dresden-Lockwitz stillgelegt und lässt seine Urologie-Arznei jetzt von anderen produzieren. Geschäftsführer Dirk Pamperin sagte, ein Antibiotikum gegen Harnwegsinfekte beziehe er aus China - pro Jahr fünf Tonnen. In Europa habe er keinen Hersteller gefunden.
Pamperin wies darauf hin, dass mehr als die Hälfte der Arzneiwirkstoffe für Europa aus Indien und China kommen. Derzeit senke Indien noch die Preise, während die deutsche Produktion wegen steigender Energiepreise teurer werde. Um wieder mehr Herstellungskapazitäten in Europa aufzubauen, riet der Geschäftsführer zu kleineren Pilotprojekten, "nicht gleich 100 Tonnen".
Avencell fand Großinvestor in den USA
Der Umsatz des Dresdner Unternehmens wird dieses Jahr voraussichtlich von 57 auf 132 Millionen Euro wachsen. Apogepha vertreibt nämlich jetzt auch Urologie-Produkte einer japanischen Firma auf dem deutschen Markt. In Köln hat das Dresdner Unternehmen zudem einen Ableger, der für frei verkäufliche Arzneimittel zuständig ist.
Biosaxony-Verbandsgeschäftsführer André Hofmann sagte auf der Tagung, in Dresden und Leipzig fehle es an Labortechnik. In Leipzig seien allerdings drei Neubauprojekte geplant. Die Stadt war in diesem Jahr auch Gastgeberin der Messe Bio-Europe. Der Branchenverband will nun ein "Innovationsökosystem" in Sachsen aufbauen, organisiert Workshops und demnächst auf mit Partnern die Finanzierung von Startup-Unternehmen in ihrer frühen Phase.
Sehr große Summen für das Wachstum etablierter Firmen sind in Sachsen allerdings nicht zu bekommen, stellten die Branchenvertreter in einer Podiumsdiskussion fest. Armin Ehninger, Geschäftsführer des Krebsspezialisten Avencell Europe mit 80 Beschäftigten in Dresden, fand nach eigenen Angaben zwar interessierte mögliche Geldgeber, aber sie erwiesen sich risikoscheu. Avencell ging schließlich mit einem US-Partner auf US-Investoren zu und bekam vor einem Jahr von Blackstone Life Sciences 250 Millionen Dollar zugesagt.
Quelle: Sächsische Zeitung, Georg Moeritz, vom 01.12.2022