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Vorgänge in Zellen beobachten: Softwarelösung beschleunigt Zellbeobachtungen

Mikrobiologen und Biophysiker der Universität Bonn haben eine Methode entwickelt, die das Hochdurchsatzverfahren von Zellbeobachtungen mit Fluoreszenzmikroskopie um das Fünffache beschleunigt. So könnten auch Einblicke in bisher unbekannte Zellabläufe möglich werden. Die Wissenschaftler stellen die Software im Journal Natur Methods vor.
15.01.2024

Lange und intensive Einwirkung von UV-Strahlung, zum Beispiel durch die Sonne, kann zu Mutationen in der DNA führen – ein Ausgangspunkt für Krebserkrankungen. Der Körper verfügt über einen Mechanismus, um dem entgegenzuwirken. „Wird die DNA beschädigt, werden Moleküle aktiviert, die die DNA schnell reparieren – möglichst bevor sich die Zelle teilt und die Schäden weitergegeben werden“, so Dr. Koen Martens vom Institut für Mikrobiologie und Biotechnologie der Uni Bonn. Wie genau die Zellreparatur funktioniert, ist allerdings noch nicht vollständig verstanden. Das will Koen Martens nun herausfinden. Eine Schwierigkeit hierbei ist, einzelne Moleküle genau zu verfolgen.

„Beim ‚single particle tracking‘ markieren wir das Molekül mit fluoreszierendem Licht, quasi einer Art Glühlampe“, erklärt Koen Martens. „Mithilfe eines hochauflösenden Mikroskops werden dann hundert Fotos pro Sekunde gemacht. Durch die ‚Glühbirne‘ leuchtet das Molekül in der dunklen Umgebung der Zelle, so dass wir es beobachten und seine Bewegung über die Zeit verfolgen können. Damit können wir ihre Diffusion und Interaktionen mit anderen Zellbestandteilen messen.“ Über die Abstände der Moleküle zueinander sowie die Abstände eines Moleküls innerhalb von einem Foto zum nächsten, können die Forschenden ablesen, ob die Teilchen sich frei in der Zelle bewegen oder mit anderen Molekülen interagieren. Bezogen auf die DNA-Reparatur ließe sich daraus ablesen, wann die Enzyme reparieren – also mit der DNA interagieren.

Software beschleunigt Tracking

„Es ist schwierig, mehrere Moleküle gleichzeitig zu verfolgen. Wenn sich ihre Wege kreuzen oder sie zu nahe beieinander sind, wird aus zwei Glühbirnen quasi eine einzelne. Dann ist es unmöglich ihre Bewegungen zu bestimmen“, so Martens. Bisher mussten die Mikrobiologen also ein Molekül nach dem anderen untersuchen. Eine zeitaufwendiger Prozess – zu lang, um die DNA-Reparatur-Moleküle „im Einsatz“ zu beobachten: Bisher dauerte das ‚single particle tracking‘ länger, als der Prozess der Reparatur selbst. Nun haben die Wissenschaftler der Universität Bonn eine Software entwickelt, die das Hochdurchsatzverfahren beschleunigt. TARDIS (kurz für: Temporal analysis of relative distances) führt eine Alles-zu-Alles-Abstandsanalyse durch zwischen Lokalisierungen – also den Punkten, wo sich das Molekül in den einzelnen Aufnahmen befindet – mit zunehmenden zeitlichen Verschiebungen. Statt sich auf einzelne Punkte wie bisher zu konzentrieren, schaut es sich die gesamte Bewegungssequenz in der Zelle an. Auf diese Weise werden alle Moleküle gleichzeitig untersucht.

„Mithilfe von TARDIS sind Messungen ohne Informationsverlust mindestens um das Fünffache kürzer“, freut sich Martens. Der Wissenschaftler möchte TARDIS nun nutzen, um die Abläufe um die DNA-Reparatur zu untersuchen. „Mich interessiert insbesondere zu untersuchen, wie leicht oder schwer bestimmte Schäden zu reparieren sind und wie schwer beschädigt die DNA wird durch eine bestimmte UV-Strahlung oder Chemikalien.“

Förderung

Die Arbeiten wurden gefördert von der Alexander von Humboldt-Stiftung, der Carnegie Mellon University, das Argelander Programm für wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Bonn, der VLAG PhD Fellowship der Graduiertenschule Wageningen und der National Science Foundation.

Originalpublikation:

Koen J.A. Martens, Bartosz Turkowyd, Johannes Hohlbein and Ulrike Endesfelder: Temporal analysis of relative distances (TARDIS) is a robust, parameter-free alternative to single-particle tracking. Nature Methods. DOI: 10.1038/s41592-023-02149-7

Artikel des "LABO" vom 15.01.2024